„Der Ursprung des Bösen war immer ein Abgrund, den niemand ergründen konnte.“ (Voltaire, 1764)

 

Mit jedem menschlichen Handeln sind emotionale Qualitäten verbunden. Solche Begleitempfindungen können bei Verstößen, wenn sie ein moralisches Gerüst zur Grundlage haben, zu Schuldgefühlen führen. Sie können sich freilich, aktiv böses Handeln unterstellt, zu einem Vernichtungsgedanken und Vernichtungshandeln ausformen, die im Wiederholungsfalle Genuss versprechen, wenn Böses durch Geld, Karriereaussichten und öffentliche Anerkennung belohnt wird. Schuldfragen verbergen sich gern hinter Feinddenken und polemischen Ideologien, damit sie nicht quälen. Böses im öffentlichen Raum wird oft erfolgreich unsichtbar gemacht.

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Bis in die Radionachrichten dringen Meldungen vor, die von einem vermehrten Behandlungsbedarf künden, der Veteranen des Afghanistan-Krieges betrifft, nachdem sie die chaotischen Szenen am Kabuler Flughafen gesehen haben. Die Bilder hätten „Retraumatisierungen“ ausgelöst. Diese Bezeichnung verweist auf einen falschen Gebrauch des Begriffs Retraumatisierung. Man könnte allenfalls von einer Aktualisierung von Angst sprechen. Aber auch diese essen Seele auf.

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Zwölfter Einwurf

 

Angst ist Ursache und Folge von psychosozialen Verletzungen aus allen denkbaren Beziehungen zu anderen Menschen, die durch Abhängigkeit und Machtentäußerungen charakterisiert sind. Angst verteilt sich aber ungleich: Während Angst vor Machtverlust Gewaltspiralen in Gang setzt, ist Angst als Folge von Gewalterfahrungen auf der Seite der Machtarmen oder Ohnmächtigen gebündelt, die durch die Empfindung von Ängsten  in einem Konditionierungsprozess konstant an ihre Ohnmacht erinnert werden und zumeist ein opportunistisches Verhältnis zur Ohnmacht herstellen, indem sie sich an der Angstproduktion gegenüber Anderen oder Fremden beteiligen. Macht und Widerstand gegen Ohnmacht wären damit gleichzusetzen mit der Fähigkeit, Angst zu verursachen. Angst sucht sich Projektionswände, hinter denen sie sich verbergen lässt, wenn sie im aggressiven Gewande auftritt oder aufzutreten sich gedrängt sieht.

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 (Streifzug durch Varianten)

 

 

Zwei Felder machen sich die Definitionshoheit über den Begriff Resilienz streitig: die Psychologie und die Ökonomie . Wenn wir die Materialkunde hinzurechen, sind es bereits drei unterschiedliche Felder. Wenn wir ferner den aktuellen Krisenmanagern zuhören, kommen wir auf vier von einander unabhängige Felder. Das ist nicht ungewöhnlich. Vielfach werden abstrakte Begriffe in mehreren Disziplinen verwendet, und dabei kommt es zu Akzentverschiebungen oder gar Neubestimmungen, sodass wir vor babylonischen Verwirrungen stehen, die eine Kommunikation erschweren oder unmöglich machen.

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Sepp Graessner

 

Die Mystifikation der/s Vergangenen und der Vergangenheit kann vielfältige Züge annehmen. Während in anderen Kulturen als der westlichen eine gewisse Sicherheit darüber herrscht, dass Ahnen, die verwandten Verstorbenen, die aktuellen Befindlichkeiten und Handlungen direkt beeinflussen, können es im westlichen Verständnis die traumatischen Verluste von Vorfahren sein, die als symptomatische Wirkungen im Inneren der Überlebenden andauern können. Beiden Auffassungen gemeinsam ist die Vorstellung, dass sich, was Menschen heute ausmacht, ihre Betrachtungen auf die Welt und die Dinge, die sie benutzen, auf Menschen, ihr Wissen, ihr Handwerk und ihre Intuition stützen, die vergangen sind. Die Vorfahren sind folglich immer präsent, als direkte oder moralnormative Eingebung oder als entfernter Schmerz oder einfach durch den Gebrauch von Gegenständen. Rituelle Kommunikation mit den Ahnen oder geliebten Menschen und Therapie des Schmerzes über den Verlust von nahen Menschen haben ihre Schnittpunkte im Glauben an die Wirkungen des Unsichtbaren und die Narrative über das Unsichtbare wie alle Religionen und die Psychotraumatologie. Man muss sich vorbereiten und sensibilisieren lassen, um das Unsichtbare zu sehen oder anderweitig wahrzunehmen. Jede/r wird   durch soziale Akte für das genealogische Kontinuum der eigenen Art sensibilisiert, selbst wenn man sich später durch rationale Entscheidungen von den Wirkkräften des/r Vergangenen abwendet. Es erscheint klar, dass ein rationaler Umgang mit Realität nie zu einem vollständigen Urteil werden kann, wenn nicht emotionale Einflüsse, die nicht vollständig sichtbar sind, berücksichtigt werden. An bedeutender Stelle wird dies durch Bezüge zum Vergangenen und zu den Vergangenen deutlich.

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