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Traumapolitik versucht, eine Beziehung von Diskurs mit dem zentralen Paradigma Trauma zur Politik herzustellen. Das Trauma, zumal das extreme, unter Lebensbedrohung erlebte, ist im Bereich der Humanwissenschaften zu einem Schlüssel geworden, mit dem sich vorgeblich alle Türen für ein neues Menschenbild öffnen lassen, besonders seit sich der „ traumatische Opferdiskurs“ mit dem der Menschenrechte verbunden hat. Trauma als universelle Kategorie beansprucht, Wege für einen neuen Umgang mit Gewalt/Willkür und den davon Betroffenen zu zeigen. Die klinische Kategorie:

Folgen von traumatischen Erlebnissen wurde in westlichen Kulturen (erneut) erfunden und fordert seither (Ende der 1970er Jahre) eine weltweite Gültigkeit und damit Expansion der daraus abgeleiteten therapeutischen Interventionen. Es geht im Zentrum dieser Debatte stets um die Frage, ob wir Lösungen von traumatischer Gewalt der Psychologie, Pharmaindustrie, Neurobiologie oder der Politik überlassen oder Wechselwirkungen zwischen diesen Wissenschaften befürworten sollen. Hier ergeben sich zahlreiche Fragen, die von einigen Forschern und Praktikern bereits aufgegriffen wurden. Der mainstream nimmt jedoch weder die Fragen noch die Antworten von Forschern auf.

Skrupel und Zweifel oder wissenschaftlich begründete Skepsis werden im Allgemeinen marginalisiert. Es ist eine Trauma-Lawine ins Rollen gekommen – und sie reißt Kritiker mit sich. Die Kämpfe im Feld der Psycho-Traumatologie werden mit harten Bandagen geführt, was darauf hindeutet, dass hier hohes symbolisches Kapital zu gewinnen ist. Diese Kämpfe beziehen sich auf die Hegemonie über die Erklärungen von Trauma und deren Theoriebildung sowie auf psychotherapeutische Ansätze für beschädigte Identität.

Es erscheint einfach unmöglich, sich als Therapeut oder Arzt gegenüber diesen Tendenzen taub zu stellen. Trauma hat als allseits gebrauchter Begriff die Talk-Shows erreicht. Damit ist Trauma machtvoll in den öffentlichen Raum vorgedrungen, und seit es sich dort befindet, in Erzählungen, Analysen und Historisierungen, musste Trauma zwangsläufig zu einem Anliegen der Politik werden. Politik wurde folglich aufgefordert, ihre Interpretation von Trauma in allen Dimensionen zu liefern. Im Opferentschädigungsgesetz, in der Entsendung von Traumaspezialisten in Krisenregionen oder bei der Rehabilitation von beschädigten Soldaten – Politik verarbeitete diesen Begriff mit den Mitteln affektiver Steuerung zu Handlungen im gesetzgeberischen Feld.

Eine Beziehung von Politik und Traumawahrnehmung ist folglich real. Die nachfolgenden Essays in des Wortes Bedeutung und Rezensionen sowie Einmischungen in aktuelle Bewegungen im Feld des Traumadiskurses sind Reflexe auf diese Beziehung.

Sie entwickelten sich durch meine Tätigkeit am Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin, die mir eine gewisse Skepsis und Distanz eingepflanzt hat, seit ich nicht mehr von der täglichen Praxis der Unterstützung für traumatisierte Flüchtlinge getrieben werde.

Da ich überwiegend mit kurdischen Flüchtlingen Begegnungen hatte und von ihnen lernen konnte, beziehen sich einige Beiträge auf die Realität kurdischer Identität, die sich jedoch ihrer illusionären Anteile bewusst werden muss. Mit Zymunt Bauman: Identität ist ein Surrogat von Gemeinschaft. Die fortwährenden Aggressionen gegen kurdische Gemeinschaften (Familien, Stämme) haben eine kurdische Identität erfinden lassen, als Motiv für Widerstand gegen Fremdes im Selbst. Abgrenzung ist das Bestreben dieser Identität.

Damit in Verbindung stehen meine Kommentare zu den Bemühungen,  Traumapolitik in Südkurdistan zu installieren. Ich stütze diese Bemühungen mit kritischer Distanz insofern, als sich hier die Chance eröffnet, Trauma und Gewalt/Willkür, ihre Wahrnehmung und ihre Verarbeitungsformen in anderen Kulturen auf differenzierte Weise zu erfassen und einer gesellschaftlichen Behandlung zuzuführen, die auf das „Individuum“, den westlichen Begriff der Psyche oder westlich verstandene Ressourcen möglicherweise verzichten kann, gleichwohl Gemeinschaft als Ressource für die Bearbeitung traumatischer kollektiver Erlebnisse anerkennt und bestätigt. Wahrscheinlich sogar muss auf westliche Mechanismen verzichtet werden, weil die Inhalte dieser Begriffe als Äquivalente für psychische Verarbeitung im Kurdischen nicht existieren, da sie dort keine historische und Erkenntnis prägende Bedeutung im Alltag haben.

Ich lege deshalb besonderen Wert auf die gesellschaftliche Produktion von extensiven Trauma-Diskursen, die darin geronnenen Interessen und auf die sich neu konstituierenden Felder sowie die sich daraus bildenden Therapiewünsche, die aus gesellschaftlicher Verantwortung und leider zu wenig aus der Betrachtung gesellschaftlicher Einflüsse auf die Symptombildung von Individuen entstehen. Traumafolgen sind,  technisch betrachtet, relativ einfach im Individuum zu verorten, obwohl wir zur Ätiologie nur Fragmente kennen. Ob sich die bekannten Teilaspekte durch eine Verwandlung in biologische Kategorien erweitern lassen, scheint derzeit noch wesentlich von Hoffnung geprägt. Auch zu diesen neuen Tendenzen möchte ich mich kritisch äußern.