Zum traumatischen Gedächtnis
Kein Streit im wissenschaftlichen Raum wird so verbittert ausgefochten wie die Kontroverse um das traumatische Gedächtnis, einem Gebiet also, der sich in seiner Arbeitsweise, Lokalisation, seinen Registrierwegen und seinen Äußerungsformen nur spekulativ oder angenähert beurteilen lässt. Ein großer Teil der Kontroverse rührt aus, vermute ich, der unzureichend verstandenen Bedeutung des impliziten Gedächtnisses und der Analogie des traumatischen Gedächtnisses, die vom Schmerzgedächtnis abgeleitet wird. Der Phantomschmerz, der ohne Bewusstsein generiert wird, habe eine Entsprechung im traumatischen Gedächtnis und in den Flashbacks eines traumatischen Geschehens. Während aber der Schmerz ein rein physiologisch-chemischer Prozess ist, tritt beim durchaus schmerzhaften traumatischen Geschehen eine kulturell-gesellschaftliche Komponente hinzu, die das Ereignis als negativ bewertet und abwehren oder vermeiden möchte wie jedes schmerzassoziierte Geschehen, das Unlust erzeugt. Der Schmerz wird im Allgemeinen vergessen; er ist nicht bewusst abrufbar, vielmehr nur präsent, solange chemisch-zelluläre Prozesse ihn fühlbar machen.
Das unterscheidet den Schmerz von Erinnerungen traumatischer Erlebnisse. Lediglich die verursachenden Umstände können sprachlich formuliert, weil erinnert werden. Genauso scheint es für einige Wissenschaftler zu sein, die ein Vergessen eines extremen traumatischen Erlebens entschieden bestreiten, obschon sie einräumen, dass einige Details entweder nicht wahrgenommen oder als marginal vergessen wurden. Der Kern oder die Tatsache des traumatischen Geschehens könne nicht dissoziiert, verdrängt oder vergessen werden. Sie seien lebenslang mobilisierbar, wenngleich als Störungen nicht mehr oder nur sehr selten beherrschend für das weitere Leben
Selbstverständlich gibt es immer wieder Versuche, mit theoretischen Überlegungen, die sich komplett gegensätzlich darstellen, ein Feld zu besetzen, das die Rolle und damit Wirkmächtigkeit des exzeptionellen Traumas herausstellt und von den bislang geläufigen Mechanismen, Kenntnissen und Regeln der psychischen Verarbeitung von sinnlichen und kommunikativen Wahrnehmungen abgrenzt. Dies könne mit der Intensität der traumatischen „Einschläge“ und ihrer Einwirkungsdauer plausibilisiert werden. Ein zentrales Beispiel ist hier Stellung und Funktion des traumatischen Gedächtnisses und das von ihm hervorgerufene Syndrom einer posttraumatischen Belastungsstörung, die ohne das Wirken des Gedächtnisses ihre Charakteristik einbüßt. Ob es dazu eines speziellen traumatischen Gedächtnisses bedarf, ist nicht endgültig entschieden, muss jedoch ernsthaft in Frage gestellt werden. Jede Gedächtnisleistung setzt sich aus Aktivitäten unterschiedlicher Hirnareale zusammen, so dass die Vorstellung, das traumatische Gedächtnis lagere in einem speziellen Raum, obsolet erscheint.
Seit der Einführung posttraumatischer Symptomatik (PTBS) hat das traumatische Gedächtnis eine akzeptierte, aber nie kritisch befragte Sonderstellung bei der Beschreibung von Gedächtnisaktivitäten eingenommen. Welche stofflichen Ausschüttungen begleiten die Überwältigung im extrem traumatischen Erlebnis? Dass hier Adrenalin und Noradrenalin eine Hauptrolle spielen, ist nicht nur allgemein anerkannt, sondern auch für die Tiefe der Einschreibung (Encodierung) nachgewiesen, sodass als sicher gelten kann, dass längerdauernde oder wiederholte traumatische Erlebnisse einen Grad an Einprägung erreichen, der eine gute Erinnerung ermöglicht. Was genau wird unter Lebensbedrohung wahrgenommen, das zugleich in einem Körper am Überwältigungsprozess beteiligt ist und nach einer peritraumatischen Phase sich in Symptombildungen (d.h. veränderten Weltbetrachtungen und -bewertungen) äußern kann? Wie viele kommunikative (oftmals wenig hilfreiche) Signale empfängt das Gehirn eines Traumatisierten nach dem traumatischen Ereignis? Wirkt nicht die Begegnung mit einer absoluten, zur Demütigung bereiten Macht dauerhaft oder latent auch in der Zukunft, und zwar durch Empfindungen der Angst, Unsicherheit, Resignation? Welche Prozesse setzt die erfahrene Ohnmacht in Gang?
Wenn man die Folgen einer intensiven Gewalt ernst nimmt – und darauf besteht, dass nur extreme und intensive Erlebnisse Symptome produzieren – dann werden, auf einem Kontinuum verzeichnet, die weniger intensiven Erlebnisse keine Symptome hervorbringen. Das erscheint nun allerdings unsinnig, denn dies ist am grünen Tisch von Experten festgelegt worden und berücksichtigt keineswegs die Möglichkeiten der Subjektivität: des Zorns, der Vorschädigung und der kühlen Rache. Ist denn die Grenze zwischen traumatischen Erlebnissen, die Symptome produzieren, und Kränkungen oder alltäglichen existentiellen Bedrohungen leicht zu ziehen, wobei die einen im traumatischen, die anderen im gewöhnlichen Gedächtnis gelagert werden? Das plastische Hirn des Menschen wird auch durch kulturelle und Umwelteinflüsse, auf die das individuelle Bewusstsein keinen Einfluss nimmt, geprägt. Legitimiert wird diese Auffassung durch die Beobachtung, nach der eine Minorität von Traumatisierten ihre Erlebnisse nicht sprachlich vortragen können (oder nicht wollen). Besonders die überschwemmenden Affekte, die ein Gewalt- oder Bedrohungserlebnis einrahmen, entzögen sich einem Narrativ, weil sie eine Abtrennung der Gefühle von den erlebten Handlungen bewirkten, fachsprachlich: dissoziiert seien.
Bessel van der Kolk von der Harvard Medical School gehörte mit zu den ersten Psychiatern, die eine Sonderstellung des traumatischen Gedächtnisses beanspruchten. In der Frühphase der angewandten PTBS wurden vielfach Überlegungen angestellt, die Behauptungen als wissenschaftliche Tatsachen in die Welt brachten, welche darauf verzichteten, sich einer empirischen Untermauerung zu unterziehen, und dies aus methodischen und ethischen Gründen auch gar nicht können. Einige solcher Behauptungen scheinen mehrere Leben zu haben.
Warum aber sollte sich das so genannte traumatische Gedächtnis von den Regularitäten des landläufigen Gedächtnisses unterscheiden? Die Inhalte, Speicherung und Abrufbarkeit seien beim traumatischen Gedächtnis durch spezifische Mechanismen wie Dissoziation so eingehüllt, dass sie keinen bewussten sprachlichen Ausdruck fänden, behauptet die eine Fraktion. Allerdings könnten unter Hypnose Inhalte von traumatischen Erlebnissen hervorgebracht werden, wenn sie nicht im bewussten Status verbalisiert werden könnten. Da beginnt das Problem für die andere Fraktion, denn es sind mehrere Einflüsse anzuführen, die sich einer sprachlichen Formulierung entziehen, z.B. Bewusstlosigkeit mit retrograder Amnesie unter Folter und anderer überschwemmender Gewalt, psychogene Amnesie sowie Scham und Schuldempfindungen (Verrat) u.a. Wer vermag zu entscheiden, ob sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Männer nicht einfach mit dem Selbstbild und der eigenen gesellschaftlichen Stellung in zerstörerischer Weise kollidiert und daher einer verbalen Darstellung widersteht? Wer will als Therapeut*in sicher sein, dass er/sie die einzige Person ist, die totales Vertrauen verdient und der man alles erzählen kann? Was nicht berichtet wird, unterliegt oftmals der Beurteilung: Dissoziation. Es könnte ja neben Deckerinnerungen auch „Deckvergessenes“ geben, die beide Zugriff auf konstruierende Elemente haben. Es geht folglich um die behauptete Sonderstellung des traumatischen Gedächtnis und damit um die Frage, wie präzise das Gedächtnis jene traumatischen Ereignisse aufbewahrt und reproduziert, in bewusster und unbewusster (Traum, Flashback, Fragment) Form.
Richard J. McNally, Psychologieprofessor in Harvard[i], hat einige Einwände gegen die Sonderstellung des traumatischen Gedächtnisses vorgetragen, auf die ich mich hier beziehe. Diese Sonderstellung bezieht ihre Legitimation aus Berichten über spontan einschießende Bilder, auf die das Bewusstsein keinen Einfluss nimmt. Solche Bilder führen präzise Wiederholungen einer schmerzhaften traumatischen Situation ins Bewusstsein, die in der Vergangenheit stattgefunden hat, so die Auffassung einiger Wissenschaftler. Das bedeutet, unbewusst erzeugte Erinnerungen erzielten Anschluss an das subjektive Bewusstsein, weil wir sonst nichts davon wüssten. Die Konstruktionsfähigkeit und Plastizität des menschlichen Gehirns blieben unberührt, weil es sich um exakte Wiederholungen handele. Und weil diese plötzlich einschießenden Bilder ihre Ursprung in speziellen Speichern des Gehirns hätten, erkläre sich die Präzision der traumatischen Szenen, die daher unabhängig von sprachlicher Formulierung sei und bei der Encodierung das Bewusstsein nicht erreicht hätte.
Elemente der allgemeinen Erinnerung unterliegen konstruktiven Darstellungen, die sich nach Situationen, in denen sie abgerufen werden, unterscheiden. Für traumatische Erlebnisse gelte dies nicht, weil sie in schockartigen Zuständen wahrgenommen würden und deshalb einer Speicherung wie bei gewöhnlichen Sinneswahrnehmungen sich widersetzten, aber offenbar das Gehirn erreichten, jedoch irgendwo „hängenblieben“, von wo sie sich unaufgefordert meldeten. Das erscheint reichlich spekulativ und kennzeichnet die frühe Forschung des Mechanismus, mit dem traumatische Situationen gelagert und reproduziert werden.
McNally betont, dass ein Gedächtnis nicht wie ein Videofilm funktioniert, der stets denselben Ablauf wiedergibt. Daher kann auch nicht eine stets identische Szene im Flashback erscheinen, der ohne konstruierende Variationen erfolgt. Denn unter der Annahme des identischen Wiedererscheinens traumatischen Erlebens müsste ein gesonderter, autonomer Ort der Speicherung angenommen werden, quasi ein vorbewusster Warteraum oder Gefängnis. Der bewusste Erinnerungsprozess ist jedoch immer dynamisch und entspringt mehreren Hirnregionen und erhält über Assoziationsbahnen stets auch situative Einflüsse. Der Flashback wiederholt eine traumatische Schlüsselszene und wird ohne Bewusstsein aufgeführt, oftmals nach Stichwörtern oder Stichszenen traumatischer Inhalte. Aber auch dieser Mechanismus unterscheidet sich von anderen einschießenden Bildern nicht, der Hochzeit oder Geburt eines Kindes, außer dass er von negativen Gefühlen und daher negativen Bewertungen begleitet ist. Das Negative wäre als Unterscheidungskriterium aber ungeeignet, die Arbeit des Gedächtnisses zu verstehen, außer man formuliert einen Anspruch auf allein positive Erinnerungen. Das wäre grober Unfug, weil dann Lernen unmöglich wäre. Auch das traumatische Gedächtnis funktioniert in einer Weise, die für jede Form von Gedächtnisarbeit gilt, solange nicht organische oder metabolische Beschränkungen vorliegen. Die Auffassung von der identischen Wiederaufführung kann als Mythos gewertet werden, auch wenn die begleitenden oder ausgelösten Emotionen als belastend oder quälend erlebt werden. Nach der Auffassung einiger Wissenschaftler bliebe die bildhafte Erinnerung lebenslang an dieselben Emotionen gekoppelt. Warum aber sollte man dann den Verursachern traumatischer Erlebnisse überhaupt vergeben können oder wollen, wenn nicht ein Teil der Energie traumatischer Erinnerungen verblassen würde oder sich mit der bewussten Vernunft einließe?
Je näher man dem Mythos vom traumatischen Gedächtnis und seiner besonderen Stellung im Verständnis des Gedächtnis kommt, desto fragwürdiger werden die Behauptungen der ersten Missionare der posttraumatischen Belastungsstörung. Bessel van der Kolk ist heute nicht mehr der Leiter des Traumazentrums der Harvard-Universität. Er behandelt heute Traumatisierte mit Körpertherapie und Massagen, wodurch er seinen Patienten eine invasive Befragung und detaillierte Darstellung ihrer traumatischen Erlebnisse ersparen kann: Wellness als pragmatischer Ausweg, der durchaus eine gewisse Berechtigung hat, weil, wie van der Kolk[ii] schreibt, der Körper insgesamt ein Gedächtnis vom traumatischen Ereignis bildet. Die Konzentration auf das Gehirn als Generator traumatischer Erlebnisse mit überwältigend demütigendem Charakter unterschlägt sicherlich das Körpergedächtnis in Mimik, Gestik, Körperhaltung, Immunsystem, vegetativen Äußerungen usw. Aber man wird bedenken müssen, dass peripher nichts läuft ohne Gehirnprozesse und andererseits Gehirnprozesse von der Peripherie und der Umwelt beeinflussbar sind, vor allem sensomotorisch. Van der Kolk ist durch den Glauben inspiriert, dass Traumaüberlebende ihren Erlebnissen körperlichen Ausdruck verleihen, ohne dass ihr traumatisches Gedächtnis ein Narrativ davon produzieren könne. Er glaubt ferner, dass extremes Trauma bei diesen Betroffenen vollständig auf implizitem oder perzeptuellem Niveau organisiert werde, ohne von einem Narrativ begleitet zu werden. Nun sei es an den Therapeuten, die Äußerungen des Körpergedächtnisses zu interpretieren. Als implizites Gedächtnis werden zudem Träume, Fragmente, Flashbacks, Vermeidungsverhalten, plötzliche intensive Gefühle usw. aufgefasst, die gleichfalls interpretierend herangezogen werden, um das abgespaltene Geschehen des Traumas aus dem Verborgenen zu erfassen. Das implizite Gedächtnis befähigt zu Handlungen, kommt aber ohne bewusste Aufforderung und sprachliche Vermittlung aus, gleichwohl kann es im Verlauf der Zeit konstruierenden Einflüssen unterliegen. Ein Geschehen, das dissoziiert wurde, soll so wieder aufscheinen, was den Anschein von Allmacht erweckt und in die Nähe eines fremdbestimmten Zwangs zur Erinnerung gerückt werden kann. Van der Kolks Theorie, die als Basis einer „recovered memory therapy“ dient und von anderen Autoren geteilt wird, sei nach McNallys Meinung eher eine so ernsthafte Katastrophe, wie es als Eingriff früher die Lobotomie war. Das ist im Rahmen einer Entlarvung von Mythen fraglos ein hartes, aber berechtigtes Urteil, das sich bemüht, den spekulativen Raum von subjektiv gestalteten Interpretationen nicht zu groß werden zu lassen.
Jede Erinnerung an ein eigenes traumatisches Erlebnis ist von mehr oder weniger heftigen Emotionen begleitet, deren vegetative Äußerungen auch im Labor gemessen werden können. Allerdings sind Emotionen kein Wahrheitsbeweis, dass ein traumatisches Ereignis stattgefunden hat. Sie sind lediglich ein Indiz. Dies wurde durch Experimente mit Menschen belegt, die behaupteten, von Aliens verführt worden zu sein und sonst keine Hinweise auf psychotische Symptomatik lieferten, zugleich aber, wenn ihnen Tonbandaufnahmen ihrer früheren Aussagen vorgespielt wurden, heftiger emotional reagierten als Vietnamveteranen, denen ihre Erzählungen von Kriegserlebnissen vorgespielt wurden. Hieraus kann man schlussfolgern, dass Emotionen und ihre Intensität sich nicht zwangsläufig auf die Wahrhaftigkeit eines realen Erlebnisses übertragen lassen.
Als ein Beispiel aus der Praxis, das die Probleme der Unterscheidung zwischen Dissoziation, traumatischem Gedächtnis und allgemeiner Erinnerung mit sprachlichem Ausdruck verdeutlichen soll, führe ich die Darstellung eines Überlebenden von Folter und einen Kommentar an:
„Als man mir einen Knüppel in den Darmausgang stecken wollte, wurdeich ohnmächtig. Später bemerkte ich starke Schmerzen und Blutungen.“
Die Zeit der Ohnmacht, durch psychogene, kulturfeindliche Einflüsse oder vorausgegangene Schmerzen hervorgerufen, bleibt nachvollziehbar ausgelöscht und ist auch nicht mehr zu aktualisieren. Man darf sagen, dass der Versuch einer Rekonstruktion der Leerstelle Gewalt bedeutet. In der bewussten Erinnerung mit sprachlichen Mitteln rekonstruiert ein solcher Überlebender aus den gefühlten Folgen eine Vergewaltigung an ihm. Die überlebenswichtige Ohnmacht kann nicht mit einer Dissoziation verwechselt werden. Nach der Ohnmacht zeigte sich vielmehr ein Bedürfnis, eine kausal schlüssige Erzählung zu generieren, die durch weitere Konsequenzen wie Nahrungsverweigerung und Stuhlverhaltung plausibilisiert wurde. Der Vorgang der Vergewaltigung kann wegen der wahrnehmungsfreien Ohnmacht folglich nicht erinnert werden, kann also auch nicht als einschießendes Erinnerungsfragment auftauchen, gleichwohl als Gesamturteil nach der Folter erinnert und berichtet werden, wenn der Betroffene das will. Von seinem Willen und seinen Gefühlen hängt dann ab, ob er durch eine Erzählung Ursache (Vergewaltigung) und Wirkung (Schmerzen, Demütigung durch Tabubruch) erneut aktualisieren will, obwohl ihm die Sehnsucht nach Vergessen davon abrät. Wer also schlussfolgert, extremtraumatische Erlebnisse verweigerten sich einer sprachlichen Formulierung, sollte das angeführte Beispiel nicht außer Acht lassen. Jeder erneute Bericht über solche Erlebnisse erzeugt Unwillen, ja Furcht beim betroffenen Subjekt, und dieses kann die resultierende Erregung oder Erstarrung nur im Handeln, motorisch und/oder symbolisch, überwinden.
Es kann eingeräumt werden, dass die behauptete Ohnmacht erfunden wurde und daher die Erinnerung vermeiden helfen sollte, eine Erinnerung, die nicht komplett vergessen wurde, aber aus der Vermeidung der kulturell schambesetzen und demütigenden Erinnerung nicht aktualisiert werden wollte und sollte.
Im Umfeld des „traumatischen Gedächtnisses“ werden zahlreiche Autor*innen und Forscher*innen geradezu eingeladen, ihrer Phantasie Nahrung zu geben, sei es durch verkürzte Zitate, Fehlinterpretationen oder gar Verfälschungen, damit das Ziel des Dramas, einen Mythos zu erhalten, nicht in Frage gestellt wird. Wenn Wissenschaft das Unsichtbare oder Transzendente nicht aufklären will, sondern es in diesem Status belassen möchte, dann müssen die Leser*innen achtsam sein, weil sie sonst in ein dramatisches Geschehen gezogen werden.
[i] MyNally, Richard J. (2005) Debunking Myths About Trauma and Memory. Can J Psychiatry; 50: S. 817-822.
[ii] Van der Kolk, Bessel A. (1994) The body keeps the score: memory and the evolving psychobiology of posttraumatic stress. Harvard Rev Psychiatry; I: S.253-265.