Folter, Misshandlung und zur Funktion von Regression

Juni 10, 2014

 

        Folter, Misshandlung und zur Funktion von Regression

 

                                      von Sepp Graessner (2005)

 

Vor rund 10 Jahren habe ich den folgenden Beitrag geschrieben. Er hat deshalb nicht an Aktualität eingebüßt, weil die neuen Techniken zur so genannten Bekämpfung innenpolitischer Auflehnungen und Revolten Politiker in vielen Ländern zur Klärung der Frage, was Folter, was Misshandlung und was legitime Gewalt des staatlichen Monopols sei, veranlasst hat. Zu den neuen Techniken zählen solche, die mit Schall- und Mikrowellen oder mit Elektroschockern und Klebstoffen operieren. Ihre Untersuchung in Laboren und eine Freilanderprobung sind weit vorangeschritten und werden von einer Öffentlichkeit kaum beachtet. Terrorattacken weiten sich aus, und der „Krieg gegen den Terror“ wird angeblich reaktiv immer weiter ausgedehnt. Eine Rüstungsspirale ist längst in Gang gekommen, die widerständiges Verhalten einkreist. Die Debatte um Folterungen in Irak und an anderen Orten und die damit verbundene Aufweichung der Kriterien, die Folterhandlungen zu relativieren versuchen, macht eine Neuaufnahme der Diskussion notwendig, die sich nicht allein unter juristischen Experten abspielen darf. Denn es gibt nach meiner Auffassung keine Unterscheidung zwischen Misshandlung und Folter, sieht man einmal vom Status der Täter ab, was für die Folgen bei den betroffenen Opfern kaum Relevanz erzeugt.

Gesichter des Traumas

März 4, 2014

         

-Skeptische Überlegungen-

 

       von Sepp Graessner

 

 

Trauma und hier vornehmlich das Psychotrauma sollen auf seine Bedeutung, Anwendung, Expansion und Definitionen befragt werden, weil, wie mir scheint, eine ungenaue oder schwammige Beschreibung Raum für unterschiedliche Interessengruppen lässt. Darunter sind sowohl Experten der Erinnerungskultur als auch Psychopharmakologen und Berufsverbände zu verstehen, die als intensiv operierende Lobbyisten das Ohr der Politik verkleistern. (An anderer Stelle habe ich mich zu der Frage geäußert, welcher wissenschaftlichen Disziplin das Psychotrauma „gehöre“ und wer Zugriff fordere: Der Hirnforscher ebenso wie die Kulturwissenschaftler, die Psychiatrie, die Rechtsprechung mit forensischen Gutachten und die Psychologie mit ihren zahlreichen therapeutischen Schulen.) Die Folgen traumatischer Erlebnisse werden hier nicht bestritten. Sie sind so real wie die Tatsache, dass kein Tag dem nächsten gleicht, weder in der allgemeinen Großkonstellation noch in der individuellen Wahrnehmung. Trauma wurde und wird zu einem Gebiet und einer forscherischen Fragestellung, in denen das subjektive Erleben objektiven Kriterien unterworfen wird. Ich habe mich immer gefragt, ob dies überhaupt ohne Willkür möglich ist und ob damit nicht im universalen Maßstab eine Homogenisierung des Subjektiven angestrebt wird, die Vielfalt auszulöschen geneigt ist. Meine Skepsis richtet sich gegen diese Tendenzen, die sich mit einer Unzahl an Büchern und Publikationen zu Wort melden.

Traumatische Erlebnisse bei Soldat(inn)en der Bundeswehr und ihre Integration nach Auslandseinsätzen

Februar 16, 2014

 

Einige Anmerkungen zu einer Querschnitts- und Längsschnittstudie über die psychosoziale Lage bei Bundeswehr-Soldaten nach Auslandseinsätzen

 

                                                           von Sepp Graessner

 

Zahlreiche Studien zur Epidemiologie, Inzidenz und Prävalenz von posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) bei umschriebenen Gruppen und Risiken scheinen für sich zu sprechen. Ob dies so gerechtfertigt ist und ob Erkenntnisgewinne aus solchen Studien resultieren, ist nicht so eindeutig, weil eine Reihe pathogener Faktoren und Einflüsse, die eine Beziehung zwischen Erlebnissen und diesen Erlebnissen zugeschriebener Folgesymptomatik herstellen könnten,  aus ihren Kontexten genommen und für irrelevant (mit oder ohne manipulative Intention) gehalten werden. Dazu zählen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr neben persönlichen Motiven und Intentionen der politischen Führung auch individuelle biographische Prägungen, das Verhältnis zu Autoritäten, Drängen von Bündnispartnern, fehlende UN-Beglaubigungen und präzise Aufgabenbeschreibungen, Wandel der Ziele, Unklarheit über die Dauer des Einsatzes (der Afghanistan-Einsatz ist inzwischen doppelt so lang wie II. Weltkrieg) usw. Wenn es um Verstehen von Realität geht, kann man solche Großkontexte nicht beiseite lassen. Auch solche Großkontexte bilden sich im psychischen Erleben und Verarbeiten von Soldaten ab, ja sie bilden oftmals die Leitplanken des Handelns. Vielfach gewinnt man den Eindruck, dass lediglich der enge Kontext personaler Beziehungen prägende Wirkung entfalten kann und nur dieser Kontext Gewissheiten und Motive repräsentiert, die traumatisiert werden können.

 

Als Grundlage dieser Anmerkungen dienen ein Artikel im Deutschen Ärzteblatt (Heft 35-36, Sept. 2012) und die ausführliche Version einer Presseinformation vom 26.11.2013 zur Längsschnittuntersuchung, die als Folgestudie zur vorausgegangenen Querschnittsstudie betrachtet wird. Ferner tritt exemplarisch als Reaktion der Presse die Berliner Zeitung vom 27.11.2013 hinzu. An diese Publikationen richten wir unsere Fragen und Bedenken.

Beiläufige Überlegungen zu Traumata, Psychoindustrie und posttraumatischen Störungen

Dezember 7, 2013

                                           von Sepp Graessner

 

 „Das Bewusstsein, das der Kranke von seiner Krankheit hat, ist absolut original. Sicher ist nichts so falsch wie der Mythus von der Krankheit, die nichts von selbst weiß; der Abstand zwischen dem Bewusstsein des Arztes und dem des Kranken ermisst sich nicht am Abstand zwischen Kenntnis und Unkenntnis der Krankheit. Es ist nicht so, als stünde der Arzt auf der Seite der Gesundheit, die alles Wissen über die Krankheit besitzt, und der Kranke auf der Seite der Krankheit, die nichts von sich selbst weiß, nicht einmal ihre Existenz. Der Kranke erkennt seine Anomalie und gibt ihr zumindest diese Bedeutung, dass er durch einen unaufhebbaren Unterschied vom Bewusstsein und von der Welt der anderen getrennt ist.“ ( Michel Foucault (1968) Psychologie und Geisteskrankheit. Frankfurt/M. S. 74ff)

 

Zur Klärung: Posttraumatische Störungen sind keine „Geisteskrankheiten“, obwohl sie von Psychiatern, ihren diagnostischen Manualen und Lehrbüchern eingemeindet wurden. Ich sage aus Überzeugung dagegen, dass sich reale posttraumatische Störungen in das psychiatrische und psychologische Denken verirrt haben und zwar in derselben Weise wie heute Sexualität und manche ihrer normabweichenden Spielarten, die hinsichtlich ihrer Erforschung der Soziologie zugeordnet werden sollten. Normen sind keine Naturgesetze, werden leider oft in dieser Weise benutzt. Wo immer Normen im Spiel sind, sollten Entstehungsgeschichte, Gebrauchsverlauf, Zwecke und Interessen sowie die hinter ihnen stehende Philosophie berücksichtigt und befragt werden. Davon kann bei schablonenhafter Anwendung eines Konzepts, das Fast-Food-Psychologie repräsentiert, nicht die Rede sein.

Fragen an den Prozess der Integration und Universalität traumatischer Erlebnisse

Februar 17, 2013

von Sepp Graessner
 

 Es besteht eine wechselseitige Verschränkung von Integration und Abwehr. Der traumatisierte Mensch kann sowohl integrieren als auch abwehren, Erlebnisse hereinlassen oder sein Inneres schützen und bewahren. Dieser Mensch verfügt also über beide Potenzen. Welche Option er im Angesicht von Bedrohung und Gewalt wählt, hängt nicht von seinem Bewusstsein ab. Er kann wohl auch Anteile des Bedrohungserlebnisses zugleich integrieren als auch abwehren. Beides sind aktive Beschäftigungen mit dem Reiz. Welche Form der Reaktion ergriffen wird, welche Sofortmaßnahmen in Gang gesetzt werden, das entscheidet der ganze Körper, nicht nur das Hirn.

Integration traumatischer Inhalte gilt allgemein als Ziel einer spontanen oder therapeutisch gestützten Bearbeitung. Ist ein Trauma integriert, d.h. von Bewusstsein durchdrungen, verliert es im optimalen Falle seine quälende Wirkung. Integration bedeutet nicht Vergessen oder Verdrängen. Mit der eindeutigen (selten!) Integration traumatischer Erlebnisse kann auch die Abwehr als abgeschlossen betrachtet werden. In welches Bild, in welchen stofflichen Rahmen wird das Erlebnis integriert? Was ist schon als gegeben vorausgesetzt, damit es zur Integration von „Überwältigendem“ fähig ist? Weltbild, Überzeugungen, Persönlichkeit, Identität? Alles zusammen? Hier sind noch viele Fragen ohne überzeugende Antwort, wenn man die unterschiedlichen Phänomene posttraumatischer Befindlichkeiten zugrunde legt. Es sind ja die unterschiedlichen Verläufe von Abwehr und Integration, die zu Fragen Anlass geben. Darunter die Frage, wie viel Bewusstsein eine Integration traumatischer Erlebnisse braucht. Das Geheimnis der vielschichtigen Verläufe posttraumatischer Symptomatiken wird in unterschiedlichen Präformationen gesehen. Es gibt also Menschen, die auf dieselben bedrohlichen äußeren Ereignisse mit differenzierender Integration und Abwehr antworten. Bei einigen Betroffenen scheint das Mischungsverhältnis von Integration und Abwehr eine Ausbildung posttraumatischer Symptome zu vermeiden oder abzuschwächen, während andere von der Wucht der Erlebnisse (als mechanisches Bild) umgeworfen und zur multiplen Symptombildung gedrängt werden. Die Vielfalt der symptomatischen Verläufe scheint einer Homogenisierung in Systematiken zu widersprechen.

Offene Geheimnisse der Ökonomie des Traumas

Februar 1, 2013

Von Sepp Graessne

Das amerikanische Trauma von My Lai, ein moralisches Trauma, so nennt es „Der Spiegel“. Die Umwertung des Traumas in gesellschaftliche Kategorien, gleichsam körperlos, ist zwar mit Empfindungen verbunden, für die jedoch eine Disposition bestehen muss. Das eigentliche Trauma haben die Überlebenden des vietnamesischen Dorfes und ihre Verwandten erlitten. Von Traumaraub zu sprechen, wäre allerdings etwas übertrieben. Es handelt sich eher um eine Verschiebung.

In der „Psyche“ von Juni 2011 lesen wir „Trauma in China?“ Zwar ist unstrittig, dass die „Kulturrevolution“ zahllose Morde, Demütigungen, Verschleppungen, d.h. Traumata, verursacht hat, das Fragezeichen wirkt also kokett. Die Psychoanalyse dringt im gesamten Heft nach China vor und findet heute interessierte Zuhörer. Traditionelle und kommunistische Auffassungen müssen folglich ausgehebelt und verwandelt werden, wenn eine in der bürgerlichen Welt des Westens verankerte Psychoanalyse nach China exportiert werden soll. Gegen eine Bekanntmachung der jeweiligen Psychosysteme ist sicher nichts einzuwenden. Allerdings ohne missionarischen Drang.

VAM und SAM – oder wie viele Gedächtnisse haben wir?

Dezember 9, 2012

Von Sepp Graessner

 

Auch die Nervengeflechte des Darms haben bei Menschen eine Fähigkeit zur Wahrnehmung und ein Gedächtnis, vermutlich auch sämtliche Körperzellen, wenn sie mit der Umwelt in Kommunikation treten. Vor allem das Immunsystem kann wahrnehmen und erinnern. Von diesen soll aber hier nicht die Rede sein, sondern von den konstruierten und imaginierten Formen eines cerebralen Gedächtnisses.

Ohne Zweifel sind traumatische Erlebnisse und ihre Persistenz geeignet, das Arbeiten des Gehirns in einigen Parametern zu studieren. Dabei hat der Schritt, unterschiedliche Modalitäten von Gedächtnis anzunehmen, dazu geführt, auch für das traumatische Gedächtnis zwei Wege der neuronalen Fortleitung zu postulieren.

Widersprüchlich zeigen sich Studien von Menschen mit PTSD, die eine Verkleinerung der hippocampalen Volumina nach Ausschüttung von Corticosteroiden im Anschluss an militärische Kampfhandlungen posttraumatisch nachwiesen. Besonders deutlich sei der Effekt der Volumenverminderung, wenn vor den traumatischen Kampfhandlungen des Erwachsenenalters in der Kindheit Missbraucherlebnisse zu eruieren waren. Die Ergebnisse verminderter Hippocampus- Volumina konnten in manchen ähnlichen Studien nicht verifiziert werden. Sie waren freilich in Übereinstimmung mit Tierversuchen. Nun ist aber gerade der Cortisolspiegel bei PTSD-diagnostizierten Personen nachweislich erniedrigt, sodass man nicht von einer verlängerten Phase der Einwirkung von Corticosteroiden auf den Hippocampus sprechen könne, es sei denn, die traumatischen Erlebnisse hätten eine verbrauchende endokrine Wirkung zur Folge gehabt.

Gedanken zu Resilienz und Wachstum nach Psychotraumata

Dezember 9, 2012

von Sepp Graessner

Nur schwer lassen sich Begriffsbestimmungen für Resilienz und Wachstum finden. Beide Begriffe sind Metaphern, die auf Prozesse hinter ihren vordergründigen Bedeutungen verweisen. Daher bewegen wir uns auf schlüpfrigem Boden, wenn wir mit diesen Begriffen in die ohnehin unsichere Zone posttraumatischer Befindlichkeiten eindringen möchten und zu Klärungen beitragen wollen.

Man hat sich darauf geeinigt: Wer nicht in wiederkehrenden traumatischen Erinnerungen versinkt, stützt sich, zumindest teilweise, auf eine reaktive Elastizität in Bezug auf erlebte Gewalt und traumatische Bedrohung, die posttraumatisch zur Grundlage für Reifung und Wachstum werden können. Ein solcher Mensch ist damit ein Beispiel für die Richtigkeit des Satzes, dass er/sie aus Schaden klug wurde. Ein trügerischer Satz zwar, der allein die kognitive Seite betont, denn aus Schaden wird jeder zunächst oberflächlich oder in der Tiefe geschädigt. Zugleich aber ein hoffnungsvoller Satz, denn er besagt, dass eine traumatische Schädigung nicht ewig andauern muss, sondern sich wandeln kann, in die Linderung der Symptome, in die Umdeutung der traumatischen Ursachen, ins Vergessen oder die Leugnung. Am Ende wartet auf verarbeitungsbereite Traumatisierte in Gestalt von Klugheit und sozialer Anerkennung sogar eine Belohnung, die keineswegs in einen glücklichen Zustand führt. Niemand wird aus Schaden glücklich. Allerdings werde ich den Verdacht nicht los, dass sich ein Hauptaugenmerk der sozialen Umwelt einer traumatisierten Person auf eben jenes Wachstum der Persönlichkeit richtet, das Stagnation oder Schrumpfung ausschließen lässt. Deshalb stehen für die übrigen traumatisch Betroffenen in aller Dreistigkeit klinische Kategorien bereit. Wachstum ist vermutlich ein Euphemismus, der nichts anderes als Anpassung an die Realität bedeutet; und dies ist in der Tat als Akt der Anerkennung der Realität zu begrüßen. Indem eine traumatisierte Person nicht in der traumatischen Wirklichkeit gefangen bleibt, geht sie auf eine Realität zu, die sie mit anderen (erneut) teilen kann, und lässt dadurch Imaginäres und Illusionäres hinter sich, zugleich jene Vorstellungen, die vor dem Trauma das Verhältnis zur Welt bestimmten. Unter diesen Vorzeichen bedeutet Wachstum einen Verlust, und Verluste tragen im Allgemeinen keine positiven Bedeutungen, sieht man einmal vom Verlust von Dummheit ab. Verliert man aber in Bezug auf traumatische Erlebnisse die Tendenz zur Selbstbeschuldigung, dann ist so etwas wie Reifung vertretbar.

Weitere oder immer dieselben Fragen?

April 1, 2012

von Sepp Graessner

 „The current discourse on trauma has systematically

sidelined this social dimension of suffering; instead

it promotes a strongly individualistic focus presenting

trauma as something that happens inside individual

minds.”

(Patrick Bracken 1998)

 Es gehört zum Alltagswissen, dass verstörte, leidende Personen nach einem extremen Trauma auf andere Menschen treffen, die gar nicht oder mehr oder weniger zum Mitleiden befähigt sind. Wenn man Bracken in diesem Sinne versteht, dann läge die soziale Dimension des Leidens im erfahrenen Mitgefühl, in der wahrgenommenen, stützenden Empathie, sicher auch in der kulturellen Bedeutung, die dem Leiden und der leidenden Person beigegeben wird und nicht zuletzt in gemeinsamen Trauer- und Abschiedsritualen. Empathie ist nicht in gleichem Maße in Menschen verteilt. Man muss sie lernen, indem man Spiegelneuronen aktiviert. Die Existenz, Funktion und Bedeutung der Spiegelneuronen sind allerdings eine nicht hinreichend abgesicherte Hypothese. Empathie zeigt sich in hierarchischen (selektiven) Wertungen gegenüber Tieren oder nahen und fernen Mitmenschen. Empathie befähigt nicht nur zu Vorstellungen, wie es in einer traumatisierten Person aussehen könnte, sondern auch zu präventivem Verhalten, weil sie eine auf Zukunft gerichtete intrinsische Dimension, d.h. einen eher unbewussten, evolutionären Zweck aufweist. Jedenfalls verstehe ich den Satz Brackens in diesem Sinne.

Cluster Übererregung

März 2, 2012

 Teil 2 – Der posttraumatische Symptomenkomplex Übererregtheit

von Sepp Graessner

 Vorbemerkung:

2011 nennt Alain Ehrenberg das DSM-III die Bibel der Diagnostiker. Diese „Seligsprechung“ ist das Resultat einer gläubigen Hinwendung an zeitlose, angeblich universelle Kategorien von Gefühlen, Verletzung, Erinnerung, Erstarrung, Erschrecken und kognitiven Ressourcen wie Gerechtigkeit, Menschenrechte. DSM-IV erlebte dann eine Heiligsprechung. Im kommenden Jahr wird ein noch voluminöseres DSM-V erscheinen. Werden wir dann eine erleuchtende Erscheinung haben? Kann uns diese Aus- und Zurichtung durch Experten zu denken geben, wenn der Glaube jeden Common sense „traumatisch“ überwältigt hat? Kernüberzeugungen („die Welt ist gut.“) und extreme Traumata („dem Tod ins Auge gesehen“) können nicht zugleich für wahr gehalten und geglaubt werden, wie Bolton und Hill urteilen. Eins von beiden wird immer auf der Strecke bleiben, und der resultierende Konflikt bildet den Auftakt zu Symptomen. Sicher, Menschen haben Gefühle, können erstarren, sind zu erinnerten Bildern fähig, auch die Schreckensäußerung und Erregung teilen Menschen. Die Bedeutung, die sie diesen Phänomenen geben, beurteilen Menschen nicht nur graduell in feinen Unterschieden.