Dreiunddreißigster Einwurf
Februar 2, 2019Gedanken zu einem Buch von Susan Brison (2002) Aftermath: Violence and the Remaking of a Self.
Im Bewusstsein, dass es elementare Hindernisse gibt, wenn Männer über Frauen sprechen, äußere ich mich hier zum Leiden einer Frau nach extremtraumatischen Erlebnissen. Die Hindernisse liegen für Männer nicht nur in der ungenügenden Reflexion von Macht/Ohnmacht und in den testosterongesteuerten Urteilen zur Welt, vielmehr in der oft fehlenden Sensibilität für Ohnmacht und in den meist verschlungenen Bemühungen der Frauen, Ohnmacht zu überwinden.
Frau Brison überlebte im Jahre 1990 als Touristin auf einem Spaziergang eine Vergewaltigung in Frankreich, wurde gewürgt und nach einem Schlag mit einem Stein gegen ihre Stirn in bewusstloser Verfassung liegen gelassen. Sie erlebte alle Stationen einer psychischen Traumatisierung, die von der Justiz Vergewaltigung und Mordversuch genannt werden. In ihren 12 Jahre später veröffentlichten Reflexionen (Frau Brison ist Professorin für Philosophie) wird erkennbar, was neben physischen und psychischen Wunden verletzt wurde: ihre aus sozialer Kommunikation konstituierte Weltbetrachtung. Bei der empathischen Lektüre ihres Buches wird erkennbar, dass ihre posttraumatische Wahrnehmung für kommunikativ geäußerte Zweifel, Verleugnung, Relativierung durch ihre Umwelt ebenso geschärft ist wie die Verletzlichkeit durch Ereignisse aus der Umwelt, die vor dem traumatischen Geschehen keinen beunruhigenden Bezug zu ihrem Leben gehabt hätten. Ihr Blick ist nach den traumatischen Ereignissen ein anderer geworden. Es geschieht oder unterbleibt etwas, auf das eine solch traumatisierte Person keinen Einfluss nehmen kann, wodurch sich ein Gefühl der Ohnmacht in die Zukunft erstrecken kann.