Kategorie: Aktuelles
Die aktuellen Nachrichten vom Joomla!-Team
Zur so genannten Überlebensschuld
Januar 28, 2022In der Behandlung von extrem Traumatisierten kann man mit Äußerungen von Patienten konfrontiert werden, sie fühlten sich schuldig, weil sie dauerhafte Lebensbedrohung, Entwürdigung und Misshandlung überlebt hätten, während andere in derselben Situation der Ohnmacht durch Gewalthandlungen und Machtmissbrauch gestorben seien. Solche Äußerungen werden z.B. von Überlebenden des Holocaust, Überlebenden von Bergwerksunglücken, Überlebenden von Amok, Massentötungen oder Erdbeben autobiographisch, literarisch oder Zeugnis ablegend gemacht. Ich habe sie nicht von außereuropäischen Patienten gehört. Ich habe sie auch nicht von gefolterten politischen Gefangenen gehört, obgleich sie tief erschüttert waren (und blieben), wenn in ihrer Zelle andere Gefangene an Misshandlungen starben oder bei bewaffneten Überfällen des Wachpersonals auf Zellentrakte ermordet wurden. Statt eines Schuldgefühls wurde eher die Verpflichtung formuliert, die Anliegen der Verstorbenen fortzuführen.
Objektives traumatisches Ereignis?
Januar 8, 2022
Die Forderung steht im Raum: die Forderung von DSM-5 und ICD11 nach einem objektiven traumatischen Ereignis, das die Folgewirkungen für PTBS spezifisch hervorruft. In einer Welt, die kausale Erklärungen für Ursache-Wirkungs-Relationen bevorzugt, kann es durchaus dazu kommen, dass ein ungenügendes Verhältnis von dem verursachenden Ereignis zu den Folgephänomenen hergestellt wird. Menschliche Körper offenbaren kausale Erklärungen, wenn es um den Stich mit einem Messer (Stichwunde) oder dem Schlag mit einem Hammer (Quetschwunde) geht. Bei psychischen oder psychosozialen Verletzungen ist genauso wie bei physischen die Beschaffenheit der vulnerablen Textur von Bedeutung. Das bedeutet, beim Psychotrauma kommen stets zwei Ursachen in Betracht: die Gewalt und die individuelle Verletzungsbiographie und Resilienz als Resonanzkörper , in dem ein traumatisches Echo, das traumatische Gedächtnis, nachwirkt. Dies ist eine Binsenwahrheit, die für die unterschiedlichen Verläufe nach Gewalteinwirkung verantwortlich ist. Unterschiedliche Verläufe beziehen Teilenergien auch aus Verdrängungspotenzen und nach Meinung von Expert*innen aus der Dissoziation.
Vorhang auf!
Dezember 23, 2021
Schimpfen als Alltagsbewältigung und Zeitvertreib
Die mit zahllosen Ängsten verbundene aktuelle Pandemie hat einen großen Vorhang vor die reale Wirklichkeit gezogen, wie es bei vielen Ängsten der Fall ist. Niemand mag die hinter dem Vorhang liegenden Realitäten ansehen, die sich zu den Pandemieängsten addieren würden. Wenn man den Vorhang öffnet, kommen unerwartete und erschreckende Bilder zum Vorschein.
Eins dieser Bilder ist die zerrüttete Verfassung des Staates und ihrer parteipolitischen Helfer. Die Politik hat im Rahmen des Neoliberalismus auf Sparmaßnahmen im Sozialsektor gesetzt (Austerität) und seine kreativen Gestaltungspotenzen in der Besenkammer verrotten lassen. Wenn heute noch etwas kreativ gilt, dann wird es weitgehend von einer und für eine Oligarchie und ihre Denkfabriken gemacht. Der Vorsorgestaat hat ausgedient.
Grundlegende Überlegungen zum Traumadiskurs
Oktober 20, 2021Eine kurze Zusammenfassung (2010- 2020) Zunächst finde ich ein Lob für die Wiederentdeckung des Psychotraumas, mit dem psychotherapeutische Behandlung begründet und ein innenpolitischer Effekt durch eine Verschiebung von Macht/Gewaltfolgen in den psychiatrischen Korpus erzielt wurde: Psychotrauma wurde zu einer Krankheit und…
Über den Genuss am Bösen
September 15, 2021„Der Ursprung des Bösen war immer ein Abgrund, den niemand ergründen konnte.“ (Voltaire, 1764)
Mit jedem menschlichen Handeln sind emotionale Qualitäten verbunden. Solche Begleitempfindungen können bei Verstößen, wenn sie ein moralisches Gerüst zur Grundlage haben, zu Schuldgefühlen führen. Sie können sich freilich, aktiv böses Handeln unterstellt, zu einem Vernichtungsgedanken und Vernichtungshandeln ausformen, die im Wiederholungsfalle Genuss versprechen, wenn Böses durch Geld, Karriereaussichten und öffentliche Anerkennung belohnt wird. Schuldfragen verbergen sich gern hinter Feinddenken und polemischen Ideologien, damit sie nicht quälen. Böses im öffentlichen Raum wird oft erfolgreich unsichtbar gemacht.
Mehrfach getroffene Soldatinnen der Bundeswehr
August 24, 2021
Bis in die Radionachrichten dringen Meldungen vor, die von einem vermehrten Behandlungsbedarf künden, der Veteranen des Afghanistan-Krieges betrifft, nachdem sie die chaotischen Szenen am Kabuler Flughafen gesehen haben. Die Bilder hätten „Retraumatisierungen“ ausgelöst. Diese Bezeichnung verweist auf einen falschen Gebrauch des Begriffs Retraumatisierung. Man könnte allenfalls von einer Aktualisierung von Angst sprechen. Aber auch diese essen Seele auf.
Nochmal: Resilienz
Mai 26, 2021(Streifzug durch Varianten)
Zwei Felder machen sich die Definitionshoheit über den Begriff Resilienz streitig: die Psychologie und die Ökonomie . Wenn wir die Materialkunde hinzurechen, sind es bereits drei unterschiedliche Felder. Wenn wir ferner den aktuellen Krisenmanagern zuhören, kommen wir auf vier von einander unabhängige Felder. Das ist nicht ungewöhnlich. Vielfach werden abstrakte Begriffe in mehreren Disziplinen verwendet, und dabei kommt es zu Akzentverschiebungen oder gar Neubestimmungen, sodass wir vor babylonischen Verwirrungen stehen, die eine Kommunikation erschweren oder unmöglich machen.
Zwölfter Einwurf und dreizehnter Einwurf
April 2, 2018Zwölfter Einwurf
Angst ist Ursache und Folge von psychosozialen Verletzungen aus allen denkbaren Beziehungen zu anderen Menschen, die durch Abhängigkeit und Machtentäußerungen charakterisiert sind. Angst verteilt sich aber ungleich: Während Angst vor Machtverlust Gewaltspiralen in Gang setzt, ist Angst als Folge von Gewalterfahrungen auf der Seite der Machtarmen oder Ohnmächtigen gebündelt, die durch die Empfindung von Ängsten in einem Konditionierungsprozess konstant an ihre Ohnmacht erinnert werden und zumeist ein opportunistisches Verhältnis zur Ohnmacht herstellen, indem sie sich an der Angstproduktion gegenüber Anderen oder Fremden beteiligen. Macht und Widerstand gegen Ohnmacht wären damit gleichzusetzen mit der Fähigkeit, Angst zu verursachen. Angst sucht sich Projektionswände, hinter denen sie sich verbergen lässt, wenn sie im aggressiven Gewande auftritt oder aufzutreten sich gedrängt sieht.
Siebter bis elfter Einwurf
Februar 18, 2018
Sepp Graessner
Die Mystifikation der/s Vergangenen und der Vergangenheit kann vielfältige Züge annehmen. Während in anderen Kulturen als der westlichen eine gewisse Sicherheit darüber herrscht, dass Ahnen, die verwandten Verstorbenen, die aktuellen Befindlichkeiten und Handlungen direkt beeinflussen, können es im westlichen Verständnis die traumatischen Verluste von Vorfahren sein, die als symptomatische Wirkungen im Inneren der Überlebenden andauern können. Beiden Auffassungen gemeinsam ist die Vorstellung, dass sich, was Menschen heute ausmacht, ihre Betrachtungen auf die Welt und die Dinge, die sie benutzen, auf Menschen, ihr Wissen, ihr Handwerk und ihre Intuition stützen, die vergangen sind. Die Vorfahren sind folglich immer präsent, als direkte oder moralnormative Eingebung oder als entfernter Schmerz oder einfach durch den Gebrauch von Gegenständen. Rituelle Kommunikation mit den Ahnen oder geliebten Menschen und Therapie des Schmerzes über den Verlust von nahen Menschen haben ihre Schnittpunkte im Glauben an die Wirkungen des Unsichtbaren und die Narrative über das Unsichtbare wie alle Religionen und die Psychotraumatologie. Man muss sich vorbereiten und sensibilisieren lassen, um das Unsichtbare zu sehen oder anderweitig wahrzunehmen. Jede/r wird durch soziale Akte für das genealogische Kontinuum der eigenen Art sensibilisiert, selbst wenn man sich später durch rationale Entscheidungen von den Wirkkräften des/r Vergangenen abwendet. Es erscheint klar, dass ein rationaler Umgang mit Realität nie zu einem vollständigen Urteil werden kann, wenn nicht emotionale Einflüsse, die nicht vollständig sichtbar sind, berücksichtigt werden. An bedeutender Stelle wird dies durch Bezüge zum Vergangenen und zu den Vergangenen deutlich.